Hallo ihr Lieben,

unser letzter Reiseabschnitt ist angebrochen. Von der Dominikanischen Republik ging es für uns weiter auf die Karibikinsel Martinique. Der Flug dahin war der chaotischste, den wir bislang hatten. Es begann mit einer Flugzeitverschiebung, von mittags auf nachmittags. Am Flughafen stand dann noch einmal eine spätere Zeit an der Anzeigetafel, was die netten Angestellten am Check-in nicht davon abhielt, uns Druck zu machen. Boarding würde schließlich in zehn Minuten beginnen. Wir schauten etwas ungläubig, begaben uns dann aber doch leicht gestresst zur Sicherheitskontrolle. Nicht, ohne das verbleibende Bier, was wir noch im Handgepäck hatten und gemütlich am Flughafen trinken wollten, notgedrungen runterzustürzen. Und was passiert, wenn man eh schon etwas gestresst ist? Die Sicherheitsbeamten nehmen sich dann extra Zeit und Lennys Rucksack mit der Kamera sah auf einmal sehr verdächtig aus. Nicht nur, dass man diesen noch einmal händisch durchsuchen wollte, auch ein Sprengstoff-Abstrich eine Station weiter sollte noch vorgenommen werden. Der Beamte fand es dann wohl keck, mit einem Grinsen zu fragen, wie viel die Kamera denn gekostet hätte. Lennys Antwort „Ein paar Euro“ ließ ihn zwar noch mal fragen, nach derselben Antwort nickte er aber etwas ratlos und nahm endlich seine Arbeit auf. Nach der Passkontrolle fanden wir uns beim Gate ein, an dem unsere Destination allerdings nicht angeschlagen war. Kurz darauf kam die Durchsage, alle Passagiere nach Guadeloupe und Martinique sollten sich vier Gates weiter einfinden. Durchsage ist dabei ein großes Wort, ein Lautsprechersystem hat der Flughafen in Santo Domingo nämlich nicht. So schrie die Mitarbeiterin einfach wiederholt in die Menge.

Am zweiten Gate stimmte die Flugnummer zwar nicht und als Destination war Guadeloupe angeschlagen, aber wir wussten, dass unser Flug zunächst nach Guadeloupe gehen sollte und dann weiter nach Martinique (nicht, dass uns irgendjemand darüber informiert hätte – es reicht ja, wenn sowas irgendwo im Internet nachzulesen ist). Mit einem kleinen Bus sind wir dann über das Rollfeld zu unserem Fluggefährt getuckert. Die kleine Propellermaschine versprach eine spannende Flugerfahrung. Und die begann auch gleich mit der freien Platzwahl. Unsere Plätze auf der Bordkarte konnte es nämlich nicht geben. Der Vogel hatte nur zwölf Reihen und unsere Reihe 30 wäre einfach draußen mitgeflogen. Im Flieger erfuhren wir noch, dass Martinique der erste Stopp sein würde, nicht Guadeloupe. Gut für uns, aber Respekt, nun stimmte einfach gar nichts mehr. Spannend war noch die Begegnung mit zwei kleinen Kakerlaken im Sitz vor uns – hatten wir bisher auch noch nicht.

Martinique ist, genauso wie Guadeloupe, ein französisches Überseedépartement und ein Traum für Naturliebhaber. Die Insel hat nicht nur goldene, weiße und schwarze Strände wie aus dem Reisekatalog, sie ist außerdem ziemlich hügelig und lädt somit zum Wandern ein. Etwas, worauf wir uns wieder sehr gefreut haben, nachdem das in letzter Zeit zu kurz gekommen war. So ging es einen Tag an der zerklüfteten Küste entlang, mit Blick auf die sanften, grünen Hügel des Hinterlandes. Ganz so tierreich wie Costa Rica oder Nicaragua ist Martinique nicht. Witzig anzuschauen waren dennoch die vielen Krabben in den Mangroven-Wäldern, die sich blitzschnell in ihre Erdlöcher oder Muscheln zurückgezogen haben, sobald man an ihnen vorbeiging.

Ein Wanderhighlight sollte der Vulkan Pelée werden, den wir von unserer Terrasse aus bereits einige Tage beobachten konnten. Aktuell ist er zwar nicht aktiv, aber wir blickten trotzdem jeden Tag auf einen schlafenden Killer: Im Jahr 1902 kam es zu einem verheerenden Ausbruch, der in der benachbarten Hafenstadt Saint-Pierre mehr als 30.000 Menschen das Leben kostete. Die Geschichte erinnert ein bisschen an Pompeij. Wie es dazu kam, würden wir später noch erfahren. Eine herzliche Begrüßung blieb uns schon mal verwehrt, als wir am Startpunkt der Wanderung ankamen. Es regnete aus Kübeln und der Berg war komplett in Nebel gehüllt. Pura vida auf französisch. Wir warteten einfach ein paar Minuten und liefen dann doch in einem trockenen Moment los. Zumindest war es für einen kurzen Augenblick trocken von oben. Der Weg hingegen war teils ein Wasserfall und alles war matschig. Für die nächsten drei Stunden gingen wir durch eine Wolke, der Nebel hatte sich nämlich nicht verzogen. Es regnete dazu immer wieder heftig und starke Winde peitschten uns um die Ohren. Wir bekamen das Gefühl, dass der Pelée nicht wirklich Bock auf uns hatte. Bei solchen Bedingungen wird die mentale Stärke eines jeden Wandernden ziemlich auf die Probe gestellt. Als wir gerade einen Kessel durchquerten, rissen die Wolken auf und ein schmales Band blauer Himmel inklusive Sonnenlicht kam zum Vorschein. In einem Film hätte an der Stelle wohl leiser Engelsgesang oder helles Glockenleuten eingesetzt. Nach ungelogen 30 Sekunden war der Spuk leider vorbei und von da an gabs wieder nur Wind, Regen, Matsch und rutschige Steine. Nach eigentlich gar nicht so langen, aber anstrengenden knappen 5 Stunden waren wir wieder am Wagen und freuten uns, nun etwas trocknen zu können.

Der Weg runter in die kleine Stadt Saint-Pierre dauerte mit dem Auto ca. 20 Minuten. Hier wollten wir uns noch ein paar Ruinen vom Vulkanausbruch sowie ein Museum dazu ansehen. Am 8. Mai kam es damals im Jahr 1902 zu dem verheerendsten Vulkanausbruch des 20. Jahrhunderts. Nachdem der Vulkan Tage zuvor wieder erwachte und sich mit leichten Eruptionen bemerkbar machte, explodierte der Berg am 8. Mai förmlich. Ein pyroklastischer Strom, also eine Wolke aus Glut, heißen Gasen und Asche, raste daraufhin den Berg hinab in die Stadt. Für die Strecke, für die wir mit dem Auto 20 Minuten benötigt hatten, benötigte die Höllenwolke nicht einmal eine Minute. Mit schätzungsweise 670 km/h schoss sie den Berg hinab und über die Stadt hinweg. Ihre enorme Hitze von rund 1.000 Grad verbrannte auf dem Weg zum Meer in Bruchteilen von Sekunden alles, was sich in der Stadt befand. Wie viel Menschen ums Leben kamen, ist bis heute nicht ganz klar. Es waren mindestens die 28.000 Einwohner der Stadt, zu denen wohl noch ein paar Tausend Feiertagsgäste hinzukamen. Es könnten demnach auch bis zu 40.000 Menschen gewesen sein. Nur drei Einwohner überlebten den Ausbruch damals. Im Museum konnten wir Gegenstände begutachten, die vom Feuer verformt wurden. Unter anderem eine Kirchenglocke und mehrere Flaschen und Gläser. Sogar Brote, Kaffeebohnen und Nudeln, die durch die Hitze sofort zu Kohle verbrannten, fand man später bei Ausgrabungen. Es ist immer wieder auch unheimlich, zu sehen, welche enorme Kraft die Natur hat. Und wie sie die Landschaft formt, ohne Rücksicht.

Silvester haben wir auch auf Martinique verbracht und wie in den letzten Jahren durfte auch eine kleine Wanderung am letzten Tag des Jahres nicht fehlen. Es war dabei schon witzig, mitzubekommen, wie die ganze Welt nach und nach das neue Jahr feierte und wir noch darauf warteten. Die ersten Neujahrsgrüße haben wir (für uns) morgens per Videocall mit Freunden in Neuseeland ausgetauscht. Schon ein interessantes Phänomen, die Zeitzonen. Während andere Länder schon über Mitternacht hinaus sind, waren wir gerade unterwegs in den Tag zu starten. Als wir dann aufs neue Jahr angestoßen haben, waren wahrscheinlich auch die Feierwütigsten unter Euch schon im Tiefschlaf. Viel Feuerwerk gab es hier um Mitternacht nicht, aber etwas war verteilt über die Insel schon zu sehen. Und schwupp, waren auch wir im Jahr 2023.

Und das haben wir auch ziemlich bald begossen. Die kleinen Antillen, zu denen Martinique gehört, sind nämlich bekannt für ihren Rum. Da konnten wir nicht anders, als eine Destillerie zu besuchen und uns anschließend bei einem Tasting von der Qualität zu überzeugen. In einer parkähnlichen Anlange ist die Habitacion Clement dabei sehr malerisch in die Landschaft eingebettet. Bei einem Rundgang über das Gelände konnten wir nicht nur das alte Herrenhaus ansehen, sondern auch die Hallen, in denen der Rum zum Altern in Fässern lagert. Kaum, dass man am Eingang der Halle steht, wird man schon fast vom Atmen beschwipst, so stark ist der Geruch nach Rum. Auf den französischen Antillen wird dabei ein besonderer Rum produziert, der „Rhum Agricole“, der aus frischem Zuckerrohrsaft destilliert wird, nicht aus der Melasse (dem Sirup) des Zuckerrohrs. Weißer Rum schmeckt daher hier ähnlich wie der brasilianische Cachaça, der ebenso aus dem Saft hergestellt wird und z.B. zum Mixen von Caipirinhas genutzt wird – kleiner Alkoholexkurs 🙂 Egal, wie sie ihn herstellen, gerade der ältere Rum hat uns sehr gut geschmeckt.

Nachdem wir noch Martiniques Hauptstadt Fort-de-France einen Besuch abgestattet hatten, ging es für uns zwei Inseln weiter, nach Guadeloupe. Ebenfalls Teil der französischen Antillen. Statt das Flugzeug zu nehmen, entschieden wir uns für eine Fährfahrt mit dem Katamaran. Bei der Planung hatten wir schon wieder viel Chaotisches von dem Unternehmen und der Überfahrt gelesen. Einige beschrieben die Fahrt als Hölle für jeden, der unter Seekrankheit leidet. Tun wir zum Glück nicht und dachten, wie schlimm kanns schon werden? Ha, challenge accepted, dachte sich das Meer. Nachdem das Einchecken wie beim Flughafen mit Gepäckaufgabe schon mal reibungslos funktioniert hatte, warteten wir dann doch noch 1,5 Stunden auf das verspätete Schiff. Die ersten 45 Minuten im schwimmenden Tiefkühlhaus verliefen so weit auch ziemlich harmlos und wir fragten uns schon, bei welchem Wetter die Leute gefahren waren, die diese Kommentare verfasst hatten. Dann ging es aus dem Schutz der Insel aufs offene Meer Richtung Dominica und der Ritt begann. Es war wie Achterbahn fahren. Meterhohe Wellen klatschten von allen Seiten gegen das Schiff, das in ein teils ziemlich heftiges Auf und Ab verfiel. Da rutschte der Magen dann schon mal hoch zum Kinn und nach einem kurzen schwerelosen Moment klatsche er wie das Schiff wieder nach unten. Nein, schlecht ist uns dennoch nicht geworden, aber unsere Augen wurden schon sehr groß, einen solch heftigen Wellengang hatten wir auf einem Schiff noch nicht erlebt. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Dominica erreichten wir nach fünf Stunden Guadeloupe und waren froh, das Schiff zu verlassen, von dem beim Aussteigen ein leichter Geruch nach Kotze ausging – den Ritt haben wohl doch nicht alle Passagiere so gut überstanden.

Im Gegensatz zu Martinique gibt es auf Guadeloupe wenigstens rudimentären öffentlichen Nahverkehr, der über die Innenstadt der größten Stadt Pointe-à-Pitre hinaus geht. So konnten wir mit dem Bus zum Flughafen fahren, um unseren Mietwagen abzuholen. Ohne den ist man auf der Insel wie auf Martinique eigentlich aufgeschmissen, wenn man etwas sehen möchte.

Guadeloupe nennt man auch die Schmetterlingsinsel. Nicht etwa, weil so viele der schönen bunten Flattermänner und -frauen dort herumflattern, sondern weil die Insel von oben betrachtet die Form dieses Tieres hat. Die erste Hälfte unseres Aufenthalts verbrachten wir auf dem linken Flügel, der offiziell Basse-Terre genannt wird. Übersetzt: Niederes Land. Da haben die Franzosen wohl etwas nicht ganz mitbekommen, denn der linke Flügel ist alles andere als nieder, sondern eigentlich ziemlich gebirgig, inklusive Vulkan. Liegt eventuell an dem vielen Nebel, wodurch man die Berge oft nicht sieht. Vielleicht haben sie den Namen auch einfach von der gleichnamigen Hauptstadt Basse-Terre abgeleitet, die sich auf diesem Flügel direkt an der Küste befindet. Unsere erste Unterkunft bezogen wir in der Nähe von Petit-Bourg, in der Ortschaft Montebello. Dass sich auch auf Guadeloupe viel um Rum dreht, haben wir gleich bei unserer Ankunft erfahren dürfen. Nicht nur lag die Montebello-Destillerie gleich nebenan, unsere Gastgeberin hatte uns auch bereits eine kleine Flasche weißen Rum mit zwei Limetten und Rohrzucker als Willkommensgeschenk bereitgestellt. Mit diesen Zutaten konnten wir uns dann gleich am ersten Abend einen Ti Punch mixen, sozusagen das Nationalgetränk der kleinen Antillen. Wer bei den Zutaten und im Absatz der Rumverkostung von Martinique aufgepasst hat, zählt nun 1 und 1 zusammen und bekommt im Endeffekt einen Caipirinha als Ergebnis. Minus eine Tonne zerstoßenes Eis. Also ein Caipi auf Steroiden. Zumal der weiße Rum hier gerne auch mal 50 Umdrehungen hat.

Wie auf Martinique ist die Natur auf Guadeloupe wirklich superschön. Hügeliger Regenwald wechselt sich mit goldgelben oder pechschwarzen feinsandigen Stränden ab. Auch hier unternahmen wir den ein oder anderen längeren Spaziergang. Von einer großen Wanderung haben wir jedoch abgesehen. Martinique und Guadeloupe gleichen sich nicht nur topographisch, sondern auch meteorologisch. Es vergeht kein Tag ohne Regen – obwohl wir eigentlich in der perfekten Jahreszeit hier sind. Dadurch sind die Wege entweder mit großen Pfützen überflutet oder extrem matschig oder beides. Natur haben wir natürlich trotzdem genossen und sind doch ganz gut rumgekommen.

Rum ist ein gutes Stichwort: Gleich zwei Destillerien haben wir hier besichtigt. Unsere Destillerie nebenan und die Bologne-Destillerie bei Basse-Terre, wo wir eine Führung bekommen haben. Beide Male gabs natürlich Rum zu probieren, aber auch viel Wissenswertes aufzusaugen. So haben wir erfahren, dass der Ruhm Agricole, der ja aus Zuckerrohrsaft hergestellt wird, nur fünf Prozent Marktanteil auf der Welt hat. Eine weitere Besonderheit der französischen Antillen ist das Klima. Der Alterungsprozess des Rums im Fass läuft gegenüber Europa dreimal schneller ab. Ein Jahr im Fass hier sind also eigentlich drei Jahre Fassreifung – zum Beispiel eines Whiskeys in Schottland. Noch ein Funfact: Eine der Destillerien hatte statt Desinfektionsspray für die Hände eine Sprühflasche mit Rum – desinfiziert ja auch…

Nachdem wir bei Basse-Terre noch ein altes Fort besucht hatten, verbrachten wir den letzten Teil unserer Reise auf Grande-Terre, dem rechten Flügel von Guadeloupe. Statt Hügel und Berge gibt es dort eher flacheres Land, Steilküsten und weiße Sandstrände. Bei kleineren Wanderungen haben wir die zerklüftete Küste und den Blick auf türkis-blaues Wasser genossen. Man hätte meinen können, wir wären in Irland. Traf auch aufs Wetter zu. Es verging ebenfalls kaum ein Tag oder eine Nacht ohne Regen. Trotzdem gibt’s auch immer wieder Regenpausen, und die verbringt man am besten an einem der wunderschönen Strände. Ist einer voll, sucht man sich einfach den nächsten. Das haben wir dann auch gemacht und noch so viel Sonne getankt, wie möglich. Schließlich erwartet uns jetzt zum Abschluss noch ein kalter Tag in Montreal und dann ein Winter in Deutschland.

Wir packen euch ein bisschen Sonne in den Rucksack, liebe Grüße aus der Karibik!

Lenny & Franzi

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